Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bieten professionelle Unterstützung und Behandlung bei psychischen Störungen, seelischen Problemen, Lebenskrisen und Konflikten. Dennoch hören sie diese Frage selten.
Auch wenn sich da schon sehr viel getan hat - leider ist der Weg zum Therapeuten oft mit mehr Scham und Angst besetzt als der Weg zum Arzt. Menschen mit psychischen Erkrankungen und inneren Krisen empfinden sich oft als schwach. Sie bekommen zu hören, dass sie sich nicht so anstellen sollen. Und die Werbung verspricht uns permanent ein besseres Leben.
Wenn der Bauch lang schmerzt, die Rückenschmerzen immer schlimmer werden, wir schlecht sehen oder hören, uns oft schlecht ist, wir uns den Arm gebrochen haben oder der grippale Infekt uns erwischt hat - zum Arzt gehen wir rasch.
Unsere Lustlosigkeit und Traurigkeit, unsere Panik vor großen Mengen und engen Räumen, unsere Scheu vor Vorträgen und großen Gruppen, unsere Verletzlichkeit, die uns davon abhält, in eine neue Beziehung zu treten, unser Gewicht, das nicht mehr werden darf, unsere Sorgen, dass garantiert uns oder unseren Liebsten etwas Schlimmes passieren wird - diese Dinge behalten wir oft lange für uns. Und oft versuchen wir sogar noch, sie vor uns selbst zu verstecken.
Und so leben viele Menschen Monate und Jahre mit ihren Schwierigkeiten. Viele versuchen, ihre Probleme selbst oder mithilfe von Freunden und Familie zu bearbeiten. In vielen Fällen hilft das auch, was grundsätzlich positiv ist.
Oft fühlen sich die uns nahen Menschen aber durch die eigene Problematik überfordert. Sie reagieren abweisend, mit Floskeln wie "Das wird schon wieder!" oder "Stell dich nicht so an!" oder vermeiden uns im schlimmsten Fall. Entweder wissen sie es nicht besser oder sie schützen sich selbst.
Und so vermeiden wir, mit anderen Menschen über unsere Ängste, depressiven Verstimmungen, Stimmen, Konflikte zu reden.
Manchmal erinnern wir uns an das Leben, bevor unsere Symptome begonnen haben, oder sehnen uns nach einem anderen Leben. Und wir fragen uns, ob wir eine Therapie machen sollten.
Leider reden jedoch wenige Menschen über Ihre Probleme, und so können wir auf wenig Erfahrungen mit Psychotherapeut*innen zurückgreifen. Uns kommen schnell Fantasiegestalten aus Horrorfilmen in den Sinn. Mit denen haben wir wenig gemeinsam, und so denken viele, dass Psychotherapie nur für ganz schwere Störungen da ist. Und wir bleiben aus Scham und Unsicherheit alleine mit unserer Problematik.
Dabei sind wir nicht alleine mit unseren Symptomen. So sind 17,7 % der Österreicher*innen von einer psychischen Störung betroffen. Besonders häufig sind dabei Ängste, Depressionen und Suchterkrankungen. Das heißt, in einem Büro mit 5-6 Personen sitzt durchschnittlich eine betroffene Person, in einer Schulklasse vier erkrankte Kinder. Auch sind viele prominente Personen betroffen. Trotzdem lassen sich viele Menschen nicht behandeln.
Wenn Sie darüber nachdenken, ob Sie eine Therapie brauchen, ist das ein Hinweis, dass ein Problem da ist. Besonders empfehlenswert ist eine Psychotherapie, wenn
- Sie Ängste haben, die Sie vor Dingen abhalten, die Sie eigentlich gerne tun würden. Diese Ängste können sehr konkret sein (Tiere, Prüfungen, Plätzen, engen Räumen, Situationen mit vielen Menschen...) oder sich in einer allgemeinen Ängstlichkeit zeigen;
- Sie so traurig und niedergeschlagen sind, sodass Sie sich fragen, ob Ihr Leben überhaupt einen Sinn macht, Sie alltäglichen Dingen und Ihren persönlichen Interessen nicht mehr nachkommen und überhaupt keine Lust auf irgendetwas machen können;
- Sie sich überlegen, Ihrem Leben ein Ende zu setzen;
- Sie körperliche Schmerzen oder Probleme haben und Ihr Arzt keine Ursache feststellen kann;
- Sie nur noch mit dem Konsum von Alkohol, Drogen oder Medikamenten durch den Tag kommen;
- Sie schon länger nicht mehr schlafen können;
- Sie Gefühle und Gedanken haben, über die Sie mit niemandem sprechen möchten (Scham, Schuld, Hass, Aggression, Verfolgung, Fremdbestimmung, Unzulänglichkeit)
- Sie fühlen sich ständig erschöpft und überfordert;
- sich Ihr Leben schlagartig verändert hat und Sie sich Begleitung wünschen oder nicht damit zurecht kommen;
- Sie sich in Ihrer Beziehung sehr belastet fühlen;
- ohne Grund plötzlich Herzklopfen, Atemnot und die Angst zu sterben eintritt;
- Sie immer wieder Probleme in Situationen mit anderen Menschen haben;
- Sie den ständigen Zwang verspüren, dasselbe zu tun, zu sagen oder zu denken (waschen, grübeln, Türe kontrollieren...)
- das Verhalten Ihres Kindes Ihnen Sorgen bereitet;
- Sie im Alter schwer damit zurecht kommen, dass sich das Leben und Ihr Körper verändert hat;
Oder Sie was auch immer davon abhält, das Leben so zu führen, wie Sie sich das wünschen würden.
Psychotherapeutische Hilfe ist in jedem Lebensalter möglich. Die Therapie kann dabei bei niedergelassenen Therapeut*innen oder in Institutionen erfolgen. Auch wenn die Finanzierung in Österreich leider ein schwieriges Thema ist und kein Gesamtvertrag mit den Krankenkassen besteht, gibt es die Möglichkeit von Zuschüssen und "Krankenscheinplätzen" und vergünstigte Plätze bei Psychotherapeut*innen in Ausbildung unter Supervision.
Die meisten Psychotherapeut*innen bieten unverbindliche Erstgespräche an, bei denen in der Regel geprüft wird, ob Psychotherapie der richtige Weg für Ihr Anliegen ist.
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